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Musike drin

Test Porsche Carrera Club Sport   Ein leichterer und lauterer Porsche zum gleichen Preis

Deutschland im Vorfrühling 1973, nördlicher Schwarzwald, schönes Wetter, Bild 1.1griffige Straße. Der Tester ist mit einem Carrera 2.7L unterwegs, einer abgemagerten Version des damals schon bejahrten Sportwagen-Klassikers. Das Auto ist gelb und trägt hinten jene charakteristische Aerodynamik-Hilfe, die als "Bürzel" in den Sprachgebrauch einging und womöglich Anstoß war zur unsäglichen Heckspoiler-Vermassung.

Hinter Bad Liebenzell steigt die Straße an, und gleich geschieht es: Obgleich versiert und kühlen Mutes, verliert der Tester die Gewalt über den Wagen. Nicht, dass er nun in den Graben gesteuert oder einen Fels gestreift hätte, wie er überhaupt niemals verunglückte. Aber der Carrera gewinnt Macht über ihn; und so besteigt er den Hügel nicht so, als warte oben nicht einfach nur etwas dünnere Luft, sondern Sieges-Lorbeer.

Seine blonde kleine Frau hat sich tief in den mageren Beifahrersitz gekauert und ist weiß um die Nase herum. Es liegt am Auto, weist er sämtliche Schuld am ungestümen Vorwärts-preschen von sich, er selbst sei ein besonnener, ruhiger Fahrer, der das defensive Fahren predige. Aber in einem Leichtbau-Carrera könne so etwas schon mal geschehen.

 Wie recht er doch hatte. Denn nun ist er wieder in einem ähnlichen Porsche unterwegs - fast 15 Jahre gealtert - und seine Gefühle sind die gleichen. Der Verkehr hat zugenommen, und der Sinn aggressiver Autos erscheint fragwürdiger den je. Auf der anderen Seite: Dies ist ein Porsche, womöglich der wahrhaftigste Porsche überhaupt. Und darf ein Porsche langsam sein ?

Bild 2.1Auf langen Strecken empfiehlt sich ein Ohrenschutz. Das Wildeste am Carrera mit dem Club Sport-Signet ist neben dem Temperament das Geräusch. Die Sitzmodelleure rechneten mit Querbeschleunigung -  nicht ganz zu Unrecht. Es ist ein Auto "so wie früher", sagt der Porsche-Sprecher Uwe Brodbeck und erinnert an den RS von damals. Das Komfortbedürfnis auch der Porschefahrer hat die Autos mit Extras begehrlich erscheinen lassen und hat sie schwer gemacht. Auch ihr Charakter änderte sich; elektrisch beheizte Fahrergesäße, per Elektromotor auf und ab surrende Seitenscheiben führen weg vom Ursprünglichen in einem 911, und wohl oder übel: Dies ist eher das wilde Tier.Bild 2.2

Nun gibt es so etwas wieder zu kaufen, zu gleichen 80.000 Mark, die auch für die Luxusversion verlangt werden. Kaufmännisch verbirgt sich hinter dem scheinbar einfachen Akt hohe Effizienz. Denn während am Basis-Carrera mit den Goodies schön verdient wird, erfährt die Porsche-Kasse in der gestrippten Version nun neuerlichen Zustrom; weniger wird zwar Bild 2.3nicht für mehr, wohl aber für genauso viel verkauft - Gratulation.

 

Das Weniger ist nicht unbeträchtlich. Der Club Sport-Carrera entbehrt gegenüber der Normalversion unter anderem:

  • Rückwand- und Seitenwandverkleidungen
  • Rücksitzlehnen plus Dämm-Material
  • Zusatzheizgebläse mit Abdeckungen
  • automatische Heizungsregelung
  • Kleiderhaken, Beifahrersonnenblende und Deckel für Türablagekasten
  • Klimaanlage
  • elektrische Fensterheber
  • Sitze mit Höhenverstellung
  • Nebelscheinwerfer
  • Motor- und Kofferraumleuchte
  • Radiovorbereitung

Sogar der schwarze Carrera-Schriftzug am Heck wurde eingespart, und siehe da: Der 911 pur wiegt zwei Zentner weniger als das Komfortmodell. 99 Kilogramm sind es genau - mithin das Gewicht einer eher dicklichen Person, die - sinnbildlich gesprochen - ein ständiger Gast im Carrera ist, aber keinerlei Zutritt zur Diätversion hat. Vom Bild 3.1"Leichtbau" spricht man nicht gerne bei Porsche und hat ja auch recht; nichts ist leicht gebaut - auch der Sport-Carrera ist ein mustergültig stabiles Auto, das mit großer handwerklicher Perfektion in kleiner Serie gebaut wird. Es hat im übrigen härtere Stoßdämpfer, keine abschließbaren Radmuttern und ein Notrad aus Aluminium. Der 3,2 Liter große Sechszylinder hat zwar nominell mit 231 PS bei knapp 6.000 Touren die gleiche Leistung, aber er besitzt leichtere Einlaßventile und eine angehobene Drehzahlgrenze. Erst bei 6840 Umdrehungen setzt der Begrenzer ein, und bis dahin, so hat es wirklich den Anschein, ist der Boxer fröhlich am jubeln, wie es schon der alte Professor Porsche bei den ersten Volkswagen diagnostizierte und empfahl.

Vielleicht würde er letzteres, auf den Carrera bezogen, nur noch mit Einschränkung tun. Denn wenn der Carrera Leicht ins Jubeln gerät, sollten nicht nur Helfer und Funktionäre die Straße räumen. In weniger als sechs Sekunden jubelt das Auto auf 100, kein Traktionsproblem kennend, tost ungestüm weiter und ist schließlich genauso schnell wie der verweichlichte Bruder. Soll das schon alles gewesen sein ?

Bild 4.1Beileibe nicht. Der Ton macht die Musik, und auf diesem Gebiet hat der praktisch ohne Dämm-Material ausgestattete Porsche eine ganze Skala zu bieten, die in ihrer oberen Region womöglich selbst Taube aufhorchen läßt. Der Leerlauf ist noch der harmlose Teil, in dem sich jenseits des Boxer-Sägens nur Zahnräder mit Schaltgabeln zu vermengen scheinen. AbBild 4.2 5.000 Umdrehungen beginnen die Trompeten von Jericho, dann kommt noch der Wind, und schließlich haben wir 91 dB(A) bei 200 km/h. Der Carrera Schwer bringt es auf 82 dB(A) - verstanden ?

Nun weiß man auch, daß die "Radiovorbereitung" getrost entfallen konnte. Im Club Sport-Carrera macht man die Musik selber; wer sich mit dem Beifahrer, dessen Gewicht dem Grundgedanken dieses Autos Natürlich widerspricht, unterhalten werden möchte, kann dies nur in gemäßigten Tempozonen tun. Drüber hilft nicht mal scharfes Anbrüllen. Kostprobe: "Wir fahren jetzt 190." Darauf Copilot: "Mir ist nicht kalt."

Das Sportfahrwerk geht in seinen Auswirkungen ebenfalls in den Bereich der Härteprüfung. Nicht mehr viel zu spüren vom insgesamt guten Schluckvermögen des Bild 4.4normalen Carrera, dafür peinlich genaue Meldung des Straßenzustandes. Den Freak wird womöglich auch das nicht stören, zumal er auch etwas dafür bekommt: noch mehr Bild 4.3Querbeschleunigung in den Kurven, bevor sich der Carrera in seinem grundsätzlichn problematischen Fahrverhalten rührt, vielleicht auch ein bißchen mehr Stabilität beim Geradeauslauf, noch bessere raktion der Antriebsräder beim Herausbeschleunigen aus engen Kurven. Der Kontakt mit der Straße ist viel inniger - wer engere Beziehungen zu Asphalt, Makadam oder Beton wünscht, sollte zugreifen und auch die sehr hohen Haltekräfte in Kurven nicht scheuen.

 Bild 5.1Die Motorleistung blieb mit 231 PS gleich, aber das Club Sport-Aggregat darf aufgrund leichterer Bild 5.2Einlaßventile ein wenig höher drehen.

Michael Groß, Olympia-Sieger und Gold-medaillien-Gewinner, hat es schon getan. Er ist der vorerst prominenteste Sport-Carrera-Besitzer. Hoffen wir für ihn, daß er nicht ins Schwimmen gerät.




Klaus Westrup
Auto-Motor-Sport 1987 Heft 14


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