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Heißes Eisen
Test Porsche Turbo 3.3
Neuer Turbo-Porsche mit 3,3 Liter Hubraum und 300 PS

Bild 1.1


Porsche packt nicht nur in der Werbung heiße Eisen an, sondern baut auch welche. Das mit Abstand heißeste Eisen im Porsche-Programm, wenn nicht gar überhaupt ist der Turbo. Das schon bisher nicht unter Leistungsmangel leidende Topmodell der Zuffenhausener wurde für das Modelljahr 1978 nochmals stärker. Exakt 300 PS (221 KW) leistet nun der aufgeladene Sechszylindermotor und hat damit die höchste Serienleistungsstufe seiner Laufbahn erklommen.

Doch nicht nur in der Leistung, auch im Hubraum ist der Boxer gewachsen. Vier Millimeter mehr Hub und eine um 2 Millimeter größere Bohrung ermöglichen ein Hubvolumen von fast 3,3 Litern (genau 3299ccm) und werfen gleichzeitig die Frage auf, wo die Entwicklungsgrenzen dieses ursprünglich auf zwei Liter und maximal 160 PS konzipierten Triebwerks zu suchen sind. Denn auch 3,5 Liter sind realisierbar, wenn man die Bohrung jener Zylinder zugrunde legt, die zum Teil im Rennsport und auch von Tunern (siehe RUF-Turbo in Heft
22/1977) verwendet werden.

Der Hubraum ist freilich nicht allein für die Leistungssteigerung des stärksten Serien-Porsche aller Zeiten verantwortlich. Denn der neue Turbo ist nicht nur absolut um 40 PS (29 KW) kräftiger als sein Vorgänger, sondern leistet auch spezifisch mehr.

Mit einer Literleistung von 92 PS/Liter stößt der Turbo in Bereiche vor, die einem für den Serieneinsatz bestimmten Saugmotor für immer verschlossen bleiben, wenn die derzeitig gültigen Geräusch- und Abgasvorschriften voll erfüllt werden sollen.

Die höhere spezifische Leistung wurde in erster Linie durch den im nun breiteren Heckflügel untergebrachten Ladeluftkühler ermöglicht. In diesem Kühler wird die durch die Aufladung im Turbolader auf etwa 150 Grad erhitzte Luft um maximal 100 Grad abgekühlt, was die Zylinderfüllung und damit die
Bild 2.1Leistung verbessert. Denn die Luft, die
der Motor zur Atmung (Verbrennung) braucht, enthält umso mehr Sauerstoff, je kühler sie ist.


Die Kühlung der Ladeluft hat noch einen zusätzlichen Vorteil: Durch die
insgesamt geringere thermische Belastung kann das bei Turbo-Motoren meist sehr geringe Verdichtungsverhältnis erhöht werden. Auch Porsche machte von dieser Möglichkeit Gebrauch und ging auf einen Wert von 7:1, was unter Berücksichtigung der im Turbolader erfolgten Vorverdichtung bei vollem Ladedruck (0,8 bar) einem tatsächlichen Verdichtungsverhältnis von über 10:1 entspricht. Dies ist auch der Grund, warum der Turbo als einziger Porsche Superkraftstoff benötigt.

Im Grenzbereich erfordert Turbo ein hohes Maß an Fahrkönnen.Bild 2.2

Für Porsche-Chef Dr.-Ing. Ernst Fuhrmann ist denn auch der Turbo vor allem von der Motorseite her so etwas wie "ein technisches Wunder, das einerseits gemächliches Dahinrollen im dichtesten Stadtverkehr problemlos gestattet, andererseits auch zu einer Fortbewegung im Renntempo geeignet ist".

In der Tat kann man dem Turbo so etwas ähnliches wie ein Doppelleben bescheinigen. Das Harmlose, fast Biedere findet statt, wenn der Lader nicht arbeitet und der Motor im Saugbereich läuft. Dieser Betriebszustand tritt relativ häufig auf, in der Stadt, auf der Landstraße oder beim Kolonnenverkehr auf der Autobahn.

Der Motor benimmt sich dabei äußerst brav. Fast zu brav sogar, denn auf geringfügiges Niederdrücken des Gaspedals erfolgt fast keine Reaktion, eine Folge der turbotypischen Leistungs-Charakteristik und der in allen vier Gängen sehr langen Übersetzung.

Das zweite ich des Turbo erwacht ziemlich unvermittelt dann, wenn der Fahrer das Gaspedal voll durchtritt. Nach
einer ebenfalls turbotypischen Reaktionszeit wird im Heck des Porsche eine deraBild 3.1rtige Urgewalt entfesselt, dass es geraten erscheint, vor diesem Vorgang einige wichtige Punkte abzuchecken. Den Straßenzustand zum Beispiel, denn die überschüssige Motorkraft reicht aus, sogar im zweiten und dritten Gang bei nasser oder schmieriger Fahrbahn die Räder durchdrehen zu lassen.

Auch sollte bedacht werden, dass sich
durch einen einzigen kräftigen Gasstoß im zweiten Gang sämtliche Geschwindigkeitsbegrenzungen dieser Welt in Sekundenschnelle überschreiten lassen. Diese Fahrstufe reicht nämlich bis 150 km/h.

Selbst beim Überholen ist Vorsicht geboten, wobei dem Vorausfahrenden
Bild 3.2 mindestens ebensoviel Augenmerk zu widmen ist wie dem Gegenverkehr. Denn der Turbo geht beim Beschleunigen derart zur Sache, dass entschlossenes Ausscheren und ein genügend großer Abstand zum Vordermann erforderlich sind, wenn dieser nicht unbeabsichtigt mit beschleunigt werden soll.

Mindestens ebenso eindrucksvoll ist die Leistungsentfaltung im oberen Geschwindigkeitsbereich. Von der Leistung her macht es nur geringe Probleme, jenseits von 200 km/h mit häufig wechselnder Geschwindigkeit zu fahren. Doch liegt die Höchstgeschwindigkeit von über 260 km/h in einem Bereich, der nur selten aufgesucht wird.

Die vom Rennauto übernommene Bremsanlage mit gelochten Scheiben
Bild 3.3sorgt dabei für die häufig notwendige kräftige Verzögerung, ohne Ermüdungserscheinungen zu zeigen. Diese treten bei Fahrern, die das Leistungspotential eines Porsche Turbo voll ausnutzen, weit früher auf und zeigen gleichzeitig die Grenzen einer derart üppigen Motorisierung.

Wie kaum ein anderes Auto erfordert der Turbo nämlich beim Schnellfahren ein überaus hohes Maß an Konzentration und fahrerischem Einsatz. Dass auch ein hohes Maß an Fahrkönnen notwendig ist, um die Möglichkeiten, die ein solches Auto von Fahrwerk und Motor her bietet, auszuschöpfen, ist ebenso klar.

So bleibt der stärkste Porsche nicht nur auf Grund seines hohen Preises von rund 80 000 Mark für die weitaus meisten Menschen ein Traumwagen. Selbst die wenigen, die ihn sich leisten können, jagen einem Traum nach. Denn sie sind meist nicht in der Lage, bis an die Leistungsgrenzen eines Porsche Turbo vorzustoßen.

Text: Gerd Hack
Fotos: ?
Auto-Motor-Sport 1978 Heft 2


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