Porsche packt nicht nur in der Werbung heiße Eisen an, sondern
baut auch welche. Das mit Abstand heißeste Eisen im
Porsche-Programm, wenn nicht gar überhaupt ist der Turbo. Das
schon bisher nicht unter Leistungsmangel leidende Topmodell der
Zuffenhausener wurde für das Modelljahr 1978 nochmals stärker.
Exakt 300 PS (221 KW) leistet nun der aufgeladene
Sechszylindermotor und hat damit die höchste
Serienleistungsstufe seiner Laufbahn erklommen.
Doch nicht nur in der Leistung, auch im Hubraum ist der Boxer
gewachsen. Vier Millimeter mehr Hub und eine um 2 Millimeter
größere Bohrung ermöglichen ein Hubvolumen von fast 3,3 Litern
(genau 3299ccm) und werfen gleichzeitig die Frage auf, wo die
Entwicklungsgrenzen dieses ursprünglich auf zwei Liter und
maximal 160 PS konzipierten Triebwerks zu suchen sind. Denn auch
3,5 Liter sind realisierbar, wenn man die Bohrung jener Zylinder
zugrunde legt, die zum Teil im Rennsport und auch von Tunern
(siehe RUF-Turbo in Heft
22/1977) verwendet werden.
Der Hubraum ist freilich nicht allein für die
Leistungssteigerung des stärksten Serien-Porsche aller Zeiten
verantwortlich. Denn der neue Turbo ist nicht nur absolut um 40
PS (29 KW) kräftiger als sein Vorgänger, sondern leistet auch
spezifisch mehr.
Mit einer Literleistung von 92 PS/Liter stößt der Turbo in
Bereiche vor, die einem für den Serieneinsatz bestimmten
Saugmotor für immer verschlossen bleiben, wenn die derzeitig
gültigen Geräusch- und Abgasvorschriften voll erfüllt werden
sollen.
Die höhere spezifische Leistung wurde in erster Linie durch den
im nun breiteren Heckflügel untergebrachten Ladeluftkühler
ermöglicht. In diesem Kühler wird die durch die Aufladung im
Turbolader auf etwa 150 Grad erhitzte Luft um maximal 100 Grad
abgekühlt, was die Zylinderfüllung und damit die
Leistung
verbessert. Denn die Luft, die
der Motor zur Atmung (Verbrennung) braucht, enthält umso mehr
Sauerstoff, je kühler sie ist.
Die Kühlung der Ladeluft hat noch einen zusätzlichen Vorteil:
Durch die
insgesamt geringere thermische Belastung kann das bei
Turbo-Motoren meist sehr geringe Verdichtungsverhältnis
erhöht werden. Auch Porsche machte von dieser Möglichkeit
Gebrauch und ging auf einen Wert von 7:1, was unter
Berücksichtigung der im Turbolader erfolgten Vorverdichtung bei
vollem Ladedruck (0,8 bar) einem tatsächlichen
Verdichtungsverhältnis von über 10:1 entspricht. Dies ist auch
der Grund, warum der Turbo als einziger Porsche Superkraftstoff
benötigt.
Im Grenzbereich erfordert Turbo ein hohes Maß an Fahrkönnen.
Für Porsche-Chef Dr.-Ing. Ernst Fuhrmann ist denn auch der Turbo
vor allem von der Motorseite her so etwas wie "ein technisches
Wunder, das einerseits gemächliches Dahinrollen im dichtesten
Stadtverkehr problemlos gestattet, andererseits auch zu einer
Fortbewegung im Renntempo geeignet ist".
In der Tat kann man dem Turbo so etwas ähnliches wie ein
Doppelleben bescheinigen. Das Harmlose, fast Biedere findet
statt, wenn der Lader nicht arbeitet und der Motor im
Saugbereich läuft. Dieser Betriebszustand tritt relativ häufig
auf, in der Stadt, auf der Landstraße oder beim Kolonnenverkehr
auf der Autobahn.
Der Motor benimmt sich dabei äußerst brav. Fast zu brav sogar,
denn auf geringfügiges Niederdrücken des Gaspedals erfolgt fast
keine Reaktion, eine Folge der turbotypischen
Leistungs-Charakteristik und der in allen vier Gängen sehr
langen Übersetzung.
Das zweite ich des Turbo erwacht ziemlich unvermittelt dann,
wenn der Fahrer das Gaspedal voll durchtritt. Nach
einer ebenfalls turbotypischen Reaktionszeit wird im Heck des
Porsche eine derartige
Urgewalt entfesselt, dass es geraten erscheint, vor diesem
Vorgang einige wichtige Punkte abzuchecken. Den Straßenzustand
zum Beispiel, denn die überschüssige Motorkraft reicht aus,
sogar im zweiten und dritten Gang bei nasser oder schmieriger
Fahrbahn die Räder durchdrehen zu lassen.
Auch sollte bedacht werden, dass sich
durch einen einzigen kräftigen Gasstoß im zweiten Gang sämtliche
Geschwindigkeitsbegrenzungen dieser Welt in Sekundenschnelle
überschreiten lassen. Diese Fahrstufe reicht nämlich bis 150
km/h.
Selbst beim Überholen ist Vorsicht geboten, wobei dem
Vorausfahrenden
mindestens ebensoviel Augenmerk zu widmen ist wie dem
Gegenverkehr. Denn der Turbo geht beim Beschleunigen derart zur
Sache, dass entschlossenes Ausscheren und ein genügend großer
Abstand zum Vordermann erforderlich sind, wenn dieser nicht
unbeabsichtigt mit beschleunigt werden soll.
Mindestens ebenso eindrucksvoll ist die Leistungsentfaltung im
oberen Geschwindigkeitsbereich. Von der Leistung her macht es
nur geringe Probleme, jenseits von 200 km/h mit häufig
wechselnder Geschwindigkeit zu fahren. Doch liegt die
Höchstgeschwindigkeit von über 260 km/h in einem Bereich, der
nur selten aufgesucht wird.
Die vom Rennauto übernommene Bremsanlage mit gelochten Scheiben
sorgt
dabei für die häufig notwendige kräftige Verzögerung, ohne
Ermüdungserscheinungen zu zeigen.
Diese treten bei Fahrern, die das Leistungspotential eines
Porsche Turbo
voll ausnutzen, weit früher auf und zeigen gleichzeitig die
Grenzen einer derart üppigen Motorisierung.
Wie kaum ein anderes Auto erfordert der Turbo nämlich beim
Schnellfahren ein überaus hohes Maß an Konzentration und
fahrerischem Einsatz. Dass auch ein hohes Maß an Fahrkönnen
notwendig ist, um die Möglichkeiten, die ein solches Auto von
Fahrwerk und Motor her bietet, auszuschöpfen, ist ebenso klar.
So bleibt der stärkste Porsche nicht nur auf Grund seines hohen
Preises von rund 80 000 Mark für die weitaus meisten Menschen
ein Traumwagen. Selbst die wenigen, die ihn sich leisten können,
jagen einem Traum nach. Denn sie sind meist nicht in der Lage,
bis an die Leistungsgrenzen eines Porsche Turbo vorzustoßen.
Text: Gerd Hack
Fotos: ?
Auto-Motor-Sport 1978 Heft 2